Wie entkommt man der deflatorischen Lücke? Eine schlüssige Antwort wäre von größtem Wert, denn die Unterbeschäftigung bedeutet für die Wirtschaft einen großen Verlust an Wohlfahrt. Zudem verpflichtet das Stabilitätsgesetz den Staat auf einen hohen Beschäftigungsstand.
Die keynesianische Antwort liegt auf der Hand: Wenn Produktion und Beschäftigung durch die Nachfrage restringiert sind, dann muss mehr Nachfrage her, damit Produktion und Beschäftigung zunehmen können. Kommt die Nachfrage nicht aus dem privaten Sektor, so hilft alleiniges Warten auf bessere Zeiten wenig, denn die Wirtschaft befindet sich im Unterbeschäftigungsgleichgewicht in einer ausweglosen Situation. Sie ist wie gelähmt. Will man nicht auf den Sanktnimmerleinstag warten, muss das Marktversagen durch den Staat korrigiert werden.
Wir kommen damit zu einem der zentralen Punkte des keynesianischen Modells - der Multiplikatoranalyse. Es gibt eine kleine Flut von Multiplikatoren, da sie sich von Modellspezifikation zu Modellspezifikation voneinander unterscheiden. Die Grundidee ist aber allen gemein.
Wir betrachten zunächst den einfachsten Multiplikator, den so genannten
einfachen Einkommensmultiplikator.
Mit seiner Hilfe werden wir das vermeintliche Paradox des Sparens lösen.
Anschließend erweitern wir das Modell um das Ausland und leiten den Exportmultiplikator ab. Alternativ dazu betrachten wir die Veränderungen des einfachen Einkommensmultiplikators durch Einbezug des Staates hin zum Staatsausgabenmultiplikator.
Die beiden Erweiterungen ließen sich auch miteinander kombinieren. Es wäre ohne weiteres möglich, einen Multiplikator für eine offene Wirtschaft mit Staat abzuleiten. Grundlegende Erkenntnisse gegenüber einer Einzelbetrachtung der Modellerweiterungen gewinnt man dadurch aber nicht. Deswegen werden wir auf die Darstellung der kombinierten Erweiterung verzichten.
Schließlich bringen wir noch einige kritische Einwände vor. Der Multiplikator kann funktionieren, er muss aber nicht funktionieren. Und wenn die Rahmenbedingungen falsch eingeschätzt werden, dann richtet eine auf den Multiplikatorprozess ausgerichtete Politik unter Umständen mehr Schaden an als sie nutzt.
Keynes hat dem Multiplikator zwar zu großer Popularität verholfen, war aber nicht sein Entdecker. Er selbst schreibt ihn seinem Schüler Richard Kahn zu. Es werden jedoch auch andere Entdecker genannt (nutzen Sie bei Interesse diesevordefinierte Suche auf überwiegend englischspachigen Seiten). In der von Keynes präsentierten Form kennt man den Multiplikator erst seit Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die grundlegende Idee reicht allerdings zurück bis Quesnay (s. auch Literaturtipp).